Methoden Fahrer aus Beweisbildern erkennen bei Bußgeldbehörden und Gerichten
Fahrer auf Beweisbildern erkennen – Methoden der Bußgeldbehörden
Wenn ein Autofahrer von einem Blitzer erwischt wird, landet oft ein Beweisfoto beim Bußgeldbescheid. In Deutschland gilt die Fahrerhaftung – es haftet also derjenige, der tatsächlich gefahren ist. Daher müssen Bußgeldbehörden ermitteln, wer auf dem Blitzerfoto am Steuer saß. Doch was, wenn das Foto unscharf ist oder das Gesicht verdeckt? Im Folgenden beleuchten wir, mit welchen Methoden deutsche Bußgeldstellen versuchen, den Fahrer auf Beweisbildern zu identifizieren, und welche Handlungsempfehlungen sich für Betroffene ergeben.
Methoden der Fahreridentifizierung auf Blitzerfotos
Moderne Technik und kreative Ermittlungsarbeit helfen den Behörden, auch bei schwierigen Fotos den Fahrer herauszufinden. Hier die gängigen Methoden im Überblick:
Abgleich mit sozialen Medien und Internetrecherche
Selbst wenn das Blitzerfoto unscharf ist, geben viele Fahrer in sozialen Netzwerken ungewollt Hinweise preis. Die Behörden dürfen das Foto mit öffentlich zugänglichen Bildern vergleichen – etwa Profilbildern auf Facebook oder Instagram. So kann ein markantes Merkmal (z.B. eine Brille oder Frisur) über Social-Media-Fotos zum Fahrer führen. Gerichte fordern inzwischen sogar, dass die Behörde alle naheliegenden Internetquellen ausschöpft. So stellte das Verwaltungsgericht Berlin fest, dass eine einfache Google-Bildersuche zum Erfolg führen kann. Im entschiedenen Fall identifizierte der Richter den Fahrer innerhalb von Minuten über ein auf Google gefundenes Xing-Profilfoto des Verantwortlichen. Die Bußgeldstelle hätte diese Recherche ebenso durchführen können – und müssen. Dieses Beispiel zeigt: Suchmaschinen und soziale Netzwerke sind ein immer wichtigeres Ermittlungswerkzeug zur Fahreridentifizierung.
Hinweise durch den Beifahrer auf dem Blitzerfoto
Oft wird der Beifahrer auf dem zugestellten Blitzerfoto aus Datenschutzgründen unkenntlich gemacht. Intern haben die Ermittler jedoch Zugriff auf das unverpixelte Originalbild – und damit auf mögliche Hinweise durch den „verräterischen Beifahrer“. Die Behörde darf den Beifahrersitz genau inspizieren und Schlüsse aus dem Mitfahrer ziehen. Ein klassisches Beispiel: Ist deutlich die Tochter des Fahrzeughalters als Beifahrerin zu erkennen, spricht vieles dafür, dass der Vater am Steuer saß. Gerichte billigen dieses Vorgehen. Das OLG Oldenburg etwa entschied, dass die Verwertung des Beifahrerbildes zulässig ist, obwohl der Beifahrer selbst keine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Kurz gesagt: Auch wenn Beifahrer eigentlich verpixelt werden, nutzen Bußgeldbehörden deren Identität oder Merkmale als Indiz, um den Fahrer zu ermitteln.
Abgleich mit Melderegister und Passfoto
Behörden greifen bei der Fahrerermittlung regelmäßig auf offizielle Ausweisfotos zurück. Es ist zulässig, dass die Bußgeldstelle beim Einwohnermeldeamt das Pass- oder Personalausweisfoto des Fahrzeughalters anfordert und mit dem Blitzerfoto abgleicht. Meist reicht schon ein Blick ins Melderegister, um den abgebildeten Autofahrer zu identifizieren. Liegt ein Verkehrsverstoß vor, ist die Übermittlung des Passbildes rechtlich erlaubt – auch DSGVO und Personalausweisgesetz stehen dem nicht entgegen, solange die Vorgaben eingehalten werden. Laut OLG Koblenz hat der Gesetzgeber sogar ausdrücklich klargemacht, dass dieser Fotoabgleich zulässig sein soll. Die Praxis ist dabei durchaus effizient: Die Behörde erhält vom Meldeamt ein Vergleichsbild und kann an einem teilweise Jahrzehnte alten Passbild prüfen, ob es mit dem Blitzerfoto übereinstimmt. Alternativ wäre oft nur eine aufwendigere Ermittlung (z.B. Hausbesuch oder Nachbarn befragen) möglich – der Fotoabgleich gilt als das geringere Übel. Für Betroffene bedeutet das: Selbst wenn man auf dem Beweisfoto vermummt oder schlecht erkennbar ist, können amtliche Passfotos einen entscheidenden Hinweis liefern.
Bildforensik und Gesichtsvermessung (technische Hilfsmittel)
Genügt das vorhandene Material nicht, setzen Behörden und Gerichte auf vermeintlich fachkundige Gutachter. Häufig kommt ein anthropologisches Identitätsgutachten zum Einsatz: Dabei vergleicht ein Sachverständiger morphologische Gesichtsmerkmale (Augenabstand, Kinnform, etc.) des Blitzerschnappschusses mit Referenzfotos des Verdächtigen. So soll mit subjektiven Methoden festgestellt werden, ob die Person auf dem Beweisfoto der Halter (oder eine andere Person) ist. Allerdings geraten solche anthropologische Gutachten zunehmend in die Kritik. Die Methode ist mangels Standardisierung recht subjektiv und fehleranfällig – unterschiedliche Gutachter können zu abweichenden Einschätzungen kommen.
Neben diesen manuellen Vergleichen kommen immer öfter technische Verfahren zum Zuge. Forensische Bildanalyse kann Fotos nachbearbeiten, aufhellen oder vergrößern, um versteckte Details erkennbar zu machen. Zudem existieren moderne Gesichtserkennungs-Algorithmen, die blitzschnell Gesichtsproportionen analysieren und mit Datenbanken oder Referenzbildern abgleichen. Solche biometrischen Systeme arbeiten objektiv nach mathematischen Modellen und erreichen teils höhere Trefferquoten als menschliche Gutachter. Dennoch ist der Einsatz automatisierter Gesichtserkennung im Bußgeldverfahren rechtlich nicht unumstritten. Einige Gerichte sehen ihn kritisch und warnen vor Datenschutzproblemen, andere halten ihn für zulässig – ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot gibt es derzeit nicht. Die Tendenz geht jedenfalls dahin, moderne Technik als Unterstützung bei der Fahreridentifizierung zu nutzen, gerade wenn klassische Methoden an ihre Grenzen stoßen.
Handlungsempfehlungen für Betroffene von Geschwindigkeitsmessungen
Wer geblitzt wurde und einen Bußgeldbescheid erwartet, sollte die oben genannten Methoden der Fahrerermittlung kennen. Daraus lassen sich folgende Tipps und Schritte ableiten:
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Beweisfoto anfordern und prüfen: Ist im Bescheid nur ein kleines, körniges Schwarz-Weiß-Foto abgedruckt, fordern Sie das Original in besserer Qualität an. Oft ist das Originalfoto deutlich schärfer. Erst mit dem klaren Bild kann man einschätzen, ob eine Verwechslung oder Nicht-Erkennbarkeit vorliegt. Nutzen Sie Ihr Recht auf Akteneinsicht – viele Behörden bieten heute sogar Online-Portale zur Fotoeinsehung an.
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Bei schlechter Erkennbarkeit Einspruch erwägen: Können Sie oder Angehörige sich auf dem Foto nicht eindeutig identifizieren, besteht eine Chance, den Vorwurf erfolgreich anzufechten. Ein unscharfes Blitzerfoto allein reicht vor Gericht oft nicht als Beweis. Wichtig ist aber, fristgerecht Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einzulegen – warten Sie nicht darauf, dass der Fehler von selbst auffällt. Bleibt man untätig, wird der Bescheid trotz zweifelhaften Fotos rechtskräftig. Ein Einspruch kann zur Verfahrenseinstellung führen, wenn die Fahreridentität tatsächlich nicht sicher geklärt werden kann.
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Vorsicht: Die Behörde ermittelt weiter: Seien Sie sich bewusst, dass ein undeutliches Foto die Bußgeldstelle auf den Plan ruft. Die Ermittler könnten z.B. Ihr Profilbild in sozialen Netzwerken vergleichen oder den Mitfahrer befragen. Auch ein Abgleich mit amtlichen Passbildern ist möglich, ohne dass Sie es merken. Rechnen Sie also nicht automatisch mit einem „Freispruch“ durch ein schlechtes Foto – die Behörde schöpft oft alle erwähnten Identifizierungsmethoden aus, um den Fahrer doch noch zu überführen.
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Zeugenfragebogen sorgfältig behandeln: Erhält der Fahrzeughalter einen Zeugenfragebogen (weil die Behörde vermutet, dass er selbst nicht gefahren ist), sollte er überlegt reagieren. Als Halter ist man grundsätzlich verpflichtet, bei der Fahrerermittlung mitzuwirken – aber niemand muss sich selbst belasten oder nahe Angehörige verraten. Wenn Sie den Fahrer kennen, aber nicht angeben möchten, droht am Ende eher eine Fahrtenbuchauflage anstatt der eigentlichen Strafe. Überlegen Sie, was für Sie das kleinere Übel ist, und holen Sie im Zweifel rechtlichen Rat ein.
- Rechtsberatung in Anspruch nehmen: Bei drohenden Punkten, Fahrverbot oder unklarer Beweislage lohnt es sich, einen im Verkehrsrecht versierten Anwalt einzuschalten. Dieser kann die Akte prüfen, die Qualität des Beweisfotos beurteilen und gegebenenfalls eigene Gutachten veranlassen. Ein Anwalt kennt zudem die aktuelle Rechtsprechung (z.B. zu Datenschutz oder unzulässigen Ermittlungsmethoden) und kann einschätzen, ob sich ein Kampf gegen den Bescheid lohnt. Gerade wenn die Behörde mit Passfoto-Abgleich oder anderen Mitteln gearbeitet hat, kann ein juristischer Blick klären, ob formell alles korrekt lief – in seltenen Fällen führen Datenschutzverstöße nämlich ebenfalls zur Verfahrenseinstellung.
Fazit: Für Betroffene einer Geschwindigkeitsüberschreitung ist es wichtig zu wissen, dass die Bußgeldbehörde zahlreiche Register zieht, um den Fahrer auf Blitzerfotos zu identifizieren. Vom Social-Media-Abgleich über Beifahrer-Indizien bis zum Passfoto-Vergleich und Gutachten – „Unkenntlich“ bleibt kaum jemand, der regelmäßig am Straßenverkehr teilnimmt. Wer geblitzt wurde, sollte das Beweisfoto kritisch prüfen und seine Strategie bewusst wählen: Entweder Einsicht zeigen und die Konsequenzen tragen, oder – falls berechtigte Zweifel an der Fahreridentität bestehen – engagiert und mit Unterstützung die eigenen Rechte verteidigen. In jedem Fall gilt es, die Fristen einzuhalten und mögliche Folgen wie ein Fahrverbot im Blick zu haben. So ist man auf Augenhöhe mit den Methoden der Behörden und kann die für sich besten Handlungsschritte einleiten.
Bei allen Bußgeldbescheiden ist stets auch zu beachten, dass jeder Verstoß mit Verjährungszeiten belegt ist. Ein Verstoß, zum beispiel ein Rotlichtverstoß kommt schnell zustande. Werden dann ältere Verstöße (2 Jahre oder 5 Jahre) vom Gericht bewertet, kann die Strafe deutlich höher ausfallen. Deshalb gilt es jeden Bußgeldbescheid genau zu prüfen und sachverständige oder rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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