Die Probleme wenn Gerichte Fahrer auf Beweisbildern erkennen sollen und meinen dies auch zu können
Die Herausforderung der Fahreridentifizierung vor Gericht
Einleitung
Wer saß tatsächlich am Steuer? Diese Frage beschäftigt viele Betroffene, wenn ein Blitzerfoto ins Haus flattert. Gerichte verlassen sich bei der Identifizierung des Fahrers oft ausschließlich auf das Beweisbild – doch wie zuverlässig ist diese Methode? Richter sind keine Experten in der Gesichtserkennung, haben keine Ausbildung darin und erhalten nie ein Feedback darüber, ob ihre Einschätzung korrekt war. Besonders problematisch ist dies bei Firmenfahrzeugen oder Familienautos, die von mehreren Personen genutzt werden.
Die menschliche Seite der Justiz
Ein Richter ist, genau wie jeder andere Mensch, auf sein persönliches Sehvermögen und seine Wahrnehmung angewiesen. Anders als Polizeibeamte, die möglicherweise im Rahmen ihrer Ausbildung gewisse Techniken zur Personenbeschreibung lernen, verfügen Richter über keinerlei Spezialwissen in der Gesichtserkennung.
Dennoch erwarten Gerichte, dass ein Richter in der Lage ist, anhand eines oft unscharfen oder schlecht ausgeleuchteten Blitzerfotos zu entscheiden, ob der Angeklagte die Person auf dem Bild ist. Doch woher nimmt ein Richter die Gewissheit?
- Keine Schulung: Richter haben keine besondere Ausbildung in der Identifizierung von Personen auf Fotos.
- Keine Vergleichsbilder: Oft wird nur das eine Beweisfoto herangezogen, ohne dass ein aktuelles Vergleichsbild existiert.
- Kein Feedback: Richter erfahren nicht, ob ihre Einschätzung richtig oder falsch war – es gibt keine „Kontrolle“ der getroffenen Entscheidung.
Ein Beispiel aus der Praxis
Ein Unternehmer erhält einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem seiner Firmenfahrzeuge. Das Problem: Das Auto wird von mehreren Mitarbeitern genutzt. Keiner kann sich erinnern, an diesem Tag gefahren zu sein. Vor Gericht hält der Richter dem Firmeninhaber das Blitzerfoto vor und meint: „Das sind Sie doch, oder?“
Der Unternehmer bestreitet dies, doch das Gericht entscheidet trotzdem, dass er als Fahrer identifiziert sei. Die Einschätzung basiert allein auf der subjektiven Meinung des Richters – ohne Expertenwissen oder vergleichende Analyse.
Firmenfahrzeuge und Familienautos: Ein unterschätztes Problem
Besonders heikel wird die Fahreridentifizierung bei Fahrzeugen, die von mehreren Personen genutzt werden.
- Firmenfahrzeuge: Viele Unternehmen stellen ihren Mitarbeitern Fahrzeuge zur Verfügung. Diese werden von verschiedenen Fahrern genutzt, oft ohne detaillierte Fahrtenbücher.
- Familienautos: In einer Familie teilen sich häufig mehrere Personen ein Fahrzeug. Eltern, Kinder, Geschwister – jeder könnte am Steuer gesessen haben.
- Vermietete oder verliehene Fahrzeuge: Gerade im privaten Umfeld ist es üblich, das eigene Auto an Freunde oder Verwandte zu verleihen.
Wenn ein Blitzerfoto vorliegt, stellt sich die Frage: Wer war wirklich der Fahrer? Die bloße Annahme, dass es der Fahrzeughalter gewesen sein muss, ist rechtlich nicht haltbar – und dennoch entscheiden viele Gerichte genau so.
Die Rolle der Obergerichte
Ein weiteres Problem besteht darin, dass Obergerichte häufig die Feststellungen der Amtsgerichte bestätigen, um Verfahren abzukürzen. Wird ein Angeklagter vom Amtsgericht auf Basis eines unklaren Beweisbildes als Fahrer identifiziert, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese Entscheidung nicht mehr hinterfragt wird.
Das BayObLG Bamberg hat in verschiedenen Urteilen klargestellt, dass eine Fahreridentifizierung nicht auf einer bloßen Vermutung basieren darf. Dennoch ignorieren viele Amtsgerichte diese Rechtsprechung, da eine Identifizierung durch den Richter selten hinterfragt wird.
Herausforderungen bei der Fahreridentifizierung
- Schlechte Bildqualität: Viele Beweisbilder sind unscharf oder verdecken Teile des Gesichts.
- Ähnlichkeit mit anderen Personen: Gerade bei Firmenfahrzeugen oder Familienautos kommen oft mehrere Personen infrage, die sich ähnlich sehen.
- Fehlende Vergleichsbilder: Gerichte vergleichen oft nur mit der Person vor Ort – ohne ein aktuelles offizielles Foto.
- Subjektive Wahrnehmung: Richter entscheiden rein nach ihrem Bauchgefühl, ohne wissenschaftliche Analyse.
Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung
Die obergerichtliche Rechtsprechung, insbesondere des BayObLG Bamberg, fordert eine sorgfältige Prüfung der Fahreridentifizierung. So wurde in mehreren Entscheidungen betont, dass ein Blitzerfoto allein nicht ausreicht, wenn Zweifel an der Identität des Fahrers bestehen.
Wird der Fahrer nicht eindeutig erkannt, muss entweder ein Sachverständigengutachten eingeholt oder die Verfolgung eingestellt werden.
Moderne Technologien als Lösung?
Neue fotogrammetrische Analysen können eine objektive Identifizierung des Fahrers ermöglichen. Dabei werden biometrische Merkmale detailliert verglichen, um eine zuverlässigere Aussage über die Identität des Fahrers zu treffen.
Moderne Analyseverfahren könnten helfen, Fehlentscheidungen zu vermeiden und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.
Fazit
Die Identifizierung von Fahrern durch Gerichte ist eine heikle Angelegenheit. Besonders bei Firmenfahrzeugen und Familienautos kommen viele Personen als Fahrer infrage. Die Annahme, dass ein Richter ohne Expertenwissen oder Vergleichsbilder eine zuverlässige Entscheidung treffen kann, ist schlicht unrealistisch.
Gerade weil Amtsgerichte oft voreilige Feststellungen treffen und Obergerichte diese nicht mehr hinterfragen, ist es umso wichtiger, sich gegen eine falsche Identifizierung zu wehren.
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